Die sieben Samurai - Filmkritik über einer der bedeutendsten japanischen Filme aller Zeiten

Ein zeitloses Meisterwerk neu entdeckt: Seven Samurai (1954) – ein Film über Ehre, Opferbereitschaft und den Wandel der Gesellschaft. Trotz seiner Länge fesselt Akira Kurosawas Klassiker mit meisterhafter Inszenierung, dynamischen Charakteren und tiefgehenden philosophischen Fragen. Warum ist dieser Film auch heute noch relevant? Eine persönliche Filmkritik über Spannung, visuelle Brillanz und die Frage, was wahre Stärke bedeutet.

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Vincent

2/25/20257 min lesen

Seven Samurai
Seven Samurai

Ich habe mir heute den japanischen Klassiker "Seven Samurai" angeschaut. Einen der bedeutendsten japanischen Filme aller Zeiten. Warum? Weil ich in den letzten Tagen wieder das Filmfieber bekommen habe. Ich bin ehrlich, statt Blogs zu schreiben mit meiner zusätzlichen Zeit am Tag habe ich jeden Tag einen Film geschaut, aus dem Top Ranking der imdb, der internationalen Filmdatenbank. Dort habe ich schon sehr viele Filme abgehakt, doch einige stehen noch auf der Liste. So habe ich gestern "Die zwölf Geschworenen" (1957) gesehen, auch ein toller Film, aber heute stand eben "Seven Samurai" an. Der Film ist sogar noch ein bisschen älter als der Gestrige mit seinem Erscheinungsjahr 1954. Auf der Top-250-Film-Liste liegt er dennoch auf Platz 22. Ich bin ehrlich, ich habe mir schon oft vorgenommen den Film zu schauen, vor allem, weil er für Filmschaffende eigentlich ein absolutes Muss ist. Doch selbst mich hat das Alter und die Länge (3h30m) abgeschreckt. Dreieinhalb Stunden einen Schwarzweißfilm gucken? Ich dachte, dass ich das niemals durchhalten würde. Wie es der Zufall aber so will, ist dieser Film von Akira Kurosawa, einem der einflussreichsten Film-Regisseure der Welt. In seinen 57 Jahre Karriere hat er 30 Filme geschaffen und ist natürlich auch in Japan der Regisseur. Und als ich heute bei der Liste bei "Seven Samurai" ankam, dachte ich mir: "Diesmal hast du keine Ausrede."

Zugegebenermaßen hatte ich einige Vorurteile, bevor ich den Film anschmiss:

  • Der Film würde sich wahrscheinlich ziehen mit seinen 3h30m und viel zu lange Einstellungen (Kameraperspektiven) haben

  • Der Film ist wahrscheinlich thematisch irrelevant für die heutige Zeit

  • Der Film ist nur für Filmemacher interessant

Und dann habe ich auf Start gedrückt. Und ich dachte erst, ich habe Recht, als die Credits ganz am Anfang erstmal mehrere Minuten einliefen. Ich nutzte die Zeit, um schnell mein Abendessen vor den Laptop zu holen und machte mich bereit, zwischendurch auch mal am Handy zu sein, da ich nicht so viel verpassen würde. Den Film habe ich auf japanisch mit englischen Untertiteln gestartet und dann ging es auch schon los. Ich aß ein bisschen und merkte aber relativ schnell, dass der Film gar nicht so langsam geschnitten war, wie ich gedacht habe. Es zog sich in den ersten Minuten kaum, obwohl ich diese Vorurteile hatte.

Aber worum geht es eigentlich?

Der Film spielt im 16. Jahrhundert, in dem ein Dorf von Banditen überfallen wird. Aus Not flehen sie einen Samurai an, ihnen zu helfen, der sechs andere Samurai zusammenstellt und das Dorf auf den bevorstehenden nächsten Angriff vorbereitet, bevor es zu einer riesigen finalen Schlacht kommt.

Im Kern der Geschichte geht es um die Frage von Opferbereitschaft, Gemeinschaft und der Rolle von Kriegern, in einer Welt, die sich anfängt zu verändern. Es geht um Ehre, Pflichtbewusstsein, Klassenunterschiede und Überzeugung. Angesehene Krieger opfern ihr Leben, damit Bauern weiterleben und arbeiten können. Die Samurai repräsentieren eine aussterbende Kriegerkultur, während die Bauern für das Leben stehen, das nach dem Kampf weitergehen kann:

Der Einsatz der Samurai ist notwendig, aber sie selbst finden in diesem Leben kaum noch Platz.

Deshalb ist das letzte Zitat des Samurai-Oberhauptes und gleichzeitig auch der letzte Satz des Filmes so beeindruckend:

"Wieder einmal haben wir überlebt. Die Bauern sind die Sieger, nicht wir."

Aufgebaut ist der Film in drei Stufen:

  1. Die Rekrutierung der Samurai

  2. Die Vorbereitung des Dorfs

  3. Der finale Kampf

Eigentlich ganz simpel. Aber funktioniert das?

Und ob das funktioniert. Denn obwohl relativ schnell klar ist, dass der Film am Ende auf eine Schlacht hinauslaufen wird, spielt der Film damit. Es könnte jederzeit passieren, doch gleichzeitig auch nicht. Der Film geht organisch von einer Szene in die nächste. Die Spannung bleibt und wird von Kurosawa mit Spitzenklasse umgesetzt. Denn wir werden an viele Figuren immer mehr herangeführt. Durch viel Gestik der Schauspieler wird relativ schnell die Persönlichkeit der Figuren klar, und auch jeder der sieben Samurai hat eine eigene Persönlichkeit, die man direkt greifen kann, alleine schon an der Gangart jedes Einzelnen. Jedoch muss man auch dazu sagen, dass nicht jeder Charakter wächst, manche leben und sterben, ohne sich verändert zu haben. Aber man versteht trotzdem, dass diese Menschen schon Wachstum durchlaufen sind. Kurosawa hat keine Angst, seine Figuren zu zeigen, auch wenn sie eintönige Bauern sein können.

Doch einer der Figuren sticht besonders heraus. Ein ehemaliger Bauer, der sich als Samurai ausgibt, die Brücke zwischen den Bauern und der Samurai. Er kennt beide Welten und ist das Bindeglied dieser, die sich misstrauen. Er wirkt unberechenbar, macht Spaß beim Zugucken, denn man weiß nie, was er als Nächstes macht. Und glaub mir, in den 3,5 Stunden macht er einiges! Er sorgt für Konflikte, aber auch unglaubliche Tiefe, denn er kennt das Elend der Bauern. An einem Wendepunkt erkennt man, dass seine Albernheit nur eine Fassade ist und das macht etwas beim Zuschauen. Wenn Fassaden fallen, berührt uns Menschen das. Das hat Kurosawa ausgesprochen gut hinbekommen.

Die Inszenierung

Nach einigen Minuten war mir schon klar, dass der Film einiges drauf hat. So gut wie jedes Bild hat lebendige Kompositionen. Stets gibt es einen Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund, die in Szene gesetzt werden. Auch hat er in jeder dieser Ebenen Bewegungen erzeugt. So bewegen sich Figuren im Vordergrund, im Mittelgrund zum Beispiel Bäume und im Hintergrund spielt das Wetter durch Wind und Regen keine unbeachtliche Rolle. Obwohl die Schnitte erst so wirken, als ob sie sparsam eingesetzt werden, kompensiert Kurosawa das mit den gezielten Kamerafahrten.

Auch wurde stark darauf geachtet, dass die Rollenverteilung klar zu sehen war. So gehen Bauern in den Bildern geduckt, während die Samurai meist von oben auf sie herab gucken. Oft sind sie zusammen im Bild, so dass man diese Dynamik sehr schnell erkennen kann.

In Kampfszenen wurden schnelle Schnitte verwendet, wie auch in heutigen Filmen, um die Spannung und Aufmerksamkeit zu erhöhen. Auch wurden echte Regenszenen gedreht, um zum Beispiel die Kampfszenen noch epischer zu gestalten.

Da der Film keine Farben hat, wurde sehr viel mit Licht und Schatten gespielt, um die Emotionen und Dramatik zu unterstreichen.

Auch muss ich noch erwähnen, wie beeindruckt ich von den Kampfszenen war. Durch schlauen Einsatz der Einstellungen verliert man nie den Überblick über den Kampf, trotz teilweise riesiger Kämpfe. Beim Dreh sollen wohl immer mehrere Kameras gleichzeitig gelaufen sein, damit diese Kampfszenen organisch geschnitten werden konnten.

Doch welchen philosophischen Fragen widmet sich der Film?

Der Film greift das schnell das Thema von Ehre und Stolz auf, und man fragt sich schnell:

Kämpfen die Samurai nur für die Bauern, weil sie keinen Herren mehr haben, dem sie dienen können?

Ist Ehre an Stand oder Reichtum gebunden oder an Prinzipien?

Und vor allem, ist Ehre ein gesellschaftliches Konstrukt oder doch ein innerer Kompass?

Auch heute stellen sich viele Menschen die Frage: Soll ich für Stolz (Geld und Ruhm) kämpfen oder für eine Überzeugung, selbst wenn man dabei alles verliert?

Und was ist eigentlich wahre Stärke?

Die Samurai waren stark, doch auch sie starben im Kampf. Was bringt es stark zu sein? Am Ende stirbt man trotzdem.

Oder ist wahre Stärke vielleicht etwas anderes, zum Beispiel für etwas zu kämpfen, was für sich selbst keinen Ertrag bringt?

Der Film greift auch da wieder ein heutiges Thema auf: In der heutigen Zeit wird egoistische Stärke oft glorifiziert. Sei es in der Politik, Wirtschaft oder auf Social Media. Und da schneidet der Film eben ein: Ist wahre Stärke wirklich das? Oder ist es wahre Stärke, für andere da zu sein?

Ist die Gesellschaft gerecht?

Im Film misstrauen die Samurai den Bauern, und andersrum genauso. Doch sie brauchen sich beide, für Essen und Schutz. Am Ende bleiben aber nur die Bauern übrig, das Zeitalter der Samurai geht zu Ende. Ist das gerecht? Ohne die Samurai wären sie verloren gewesen, aber zusammenzuleben gestaltete sich trotzdem sehr schwer.

Wer wird in der Gesellschaft wirklich gebraucht und wer wird ausgenutzt?

Auch dieses Thema ist hochaktuell: In modernen Gesellschaften wie Deutschland gibt es Arbeiter, die für die Grundversorgung da sind (Pflegekräfte, Lehrer, Bauern, Handwerker). Trotzdem bekommen sie wie die Bauern im Film wenig Anerkennung, im Gegensatz zu anderen Menschen, die an der Spitze stehen und für das Allgemeinwohl kaum lebensnotwendig sind. Im Film wird eine Welt gezeigt, in der diejenigen, die kämpfen, nicht diejenigen sind, die gewinnen.

Kann ein Mensch sein Schicksal verändern?

Diese Frage berührt mich selbst beim Schreiben sehr. Einer der Protagonisten, Kikuchiyo sein Name, war einer der sieben Samurai, doch eigentlich war er nur ein Hochstapler. Er gibt sich den ganzen Film als Samurai aus und wird von den anderen Samurai nur belächelt. Dass er aus der Bauernschicht kommt, wird im Laufe des Films klar und egal wie sehr er sich bemüht, so heldenhaft wie die Samurai zu sein, er ist und bleibt ein Tölpel. Selbst nach einer riskanten Aktion mit dem Risiko das eigene Leben zu verlieren, wird er nicht als Held gefeiert. Doch Kikuchiyo gibt nicht auf und kämpft eifrig weiter, bereit für seinen Lebenstraum, ein Samurai zu sein, zu sterben. Letztendlich tötet er den letzten lebenden Banditen und stirbt ein paar Sekunden später an den Wunden seiner Schusswunde neben der Flagge der Samurai. Letztendlich hat er sein Schicksal verändert, vom Bauern zum Samurai, auch wenn ihn das sein Leben kostete.

Kann man wirklich seinem Schicksal entkommen und es selbst formen?

Kann man denn heute aus armen Verhältnissen wirklich alles erreichen? Oder gibt es immer noch unsichtbare Grenzen, wie in "Seven Samurai"? Da scheiden sich wohl die Geister.

Und auch diese Frage wird sich im Film gestellt: Ist Gewalt ein notwendiges Übel oder ein ewiger Kreislauf?

Die Samurai kämpfen und töten um das Dorf zu beschützen, aber ist dies die einzige Lösung? Das Dorf kann nur mit Gewalt gerettet werden, doch am Ende bleibt ein bitterer Nachgeschmack: Es gibt keine Feier, nur Gräber.

Führt Gewalt jemals zu einer endgültigen Lösung oder zündet Gewalt nur eine lange Zündschnur für nächste Gewalt an?

In Zeiten von Kriegen ist auch das eine relevante Frage. Ist Gewalt eine Lösung? Für die Banditen? Für die Dorfbeschützer? Was bleibt bei uns am Ende übrig? Bestimmt auch keine Feier. Hoffentlich werden nicht zu viele Zündschnuren angezündet.

Fazit

Seven Samurai ist ein Film über eine vergangene Zeit, und gleichzeitig auch nicht. Es ist eine Reflexion darüber, wie Gesellschaften funktionieren. Themen wie Ehre, Stolz, Ungerechtigkeit, Gewalt und Veränderung sind heute genauso wichtig wie damals. Doch eines zeigt dieser meisterhafte Film auch ohne offene Fragen:

Wahre Helden erwarten keine Belohnungen. Sie helfen selbstlos, weil sie sehen, dass Hilfe benötigt wird.