Disziplin als Schlüssel zur Freiheit: Wie du deinen inneren Schweinehund besiegst

Disziplin ist mehr als nur Durchhalten – sie ist ein Vertrauensbeweis an dich selbst. Erfahre, wie du deine innere Stimme kontrollierst, Prokrastination überwindest und echte Freiheit gewinnst.

ZWISCHEN DEN ZEILEN

Vincent

2/4/20257 min lesen

Disziplin
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Disziplin

Ich habe in meinem Leben schon oft darüber nachgedacht, was es bedeutet diszipliniert zu sein. In den letzten Tagen habe ich es mich des Öfteren im folgenden Kontext gefragt:

Wie bin ich hier in Japan ein disziplinierter Mensch?

Ich meine, ich lerne 5 Tage die Woche japanisch und dann habe ich mir noch vorgenommen, jeden Tag einen Artikel zu schreiben auf dieser Webseite. Das ist ja eigentlich schon sehr diszipliniert. Zugegebenermaßen ist das Japanisch lernen kein von mir aktives Dransetzen, ich muss ja nur in die Schule gehen und dann passiert das mehr oder weniger von alleine. Aber das tägliche Schreiben des Blogs, das fordert schon Disziplin, auch wenn es oft Spaß macht. Und auch gerade jetzt. Es ist schon spät hier in Japan und in einer Stunde will ich schlafen, doch ich habe mir gesagt, dass ich jeden Tag einen Artikel schreibe und das ist einer dieser Momente in denen ich mich frage, was es heißt diszipliniert zu sein.

Ein Mensch, der das tut, was er sich in der Vergangenheit vorgenommen hat zu tun, und sein Versprechen an sich selbst einhält.

Eigentlich ist Disziplin nichts anderes als ein Vertrauenstest an sich selbst. Wer sich selbst vertrauen kann, wer seiner eigenen inneren Stimme Glauben schenken kann, der ist diszipliniert. Denn wenn ich mir in der Vergangenheit gesagt habe, dass ich jeden Tag schreibe, dann schreibe ich jeden Tag, zumindest wenn ich diszipliniert bin. Und dazu gehören natürlich auch die Tage, an denen man nicht schreiben will. Und wer dann trotzdem schreibt, der tut das, weil er Verantwortung für seine Entscheidung übernimmt. Er nimmt sich selbst und die Entscheidung ernst.

Ich glaube, dass es ziemlich wichtig für den Menschen ist, dass man sich selbst glauben kann. Ich habe so zum Beispiel einige Zeit lang, subjektiv eine schmerzhaft lange Zeit lang, mir nicht mehr vertrauen können. Ich habe mir gesagt, ich mache dies und ich mache das, und dann habe ich das auch angefangen, aber nach 2 Wochen war die Motivation weg und dann hab ich es wieder sein gelassen. Und was hatte ich dann davon? Große Enttäuschungen von mir selbst und das immer wieder. Und das ist ein Teufelskreis, das sage ich dir.

Wer sich selbst nicht mehr vertrauen kann, der hat Schwierigkeiten aus diesem Kreis wieder herauszukommen, denn das nächste Mal, wenn man sich selbst eine Regel aufstellen will, ist da direkt diese kleine Stimme, die dir im Kopf sitzt und "Glaubst du doch selbst nicht" flüstert. Und selbst wenn es nur eine kleine Stimme ist, bleibt sie dort. Es ist sehr schwer, diese Stimme loszuwerden, und je öfter man aufgibt, füttert man diese Stimme, bis sie irgendwann so groß ist, dass man denkt, dass sie dich besser kennt als du selbst. Und ehe man sich versieht, guckt man in den Spiegel und sieht jemanden anderen als eine fremde Person sehen würde. Man sieht einen Menschen, der von negativen Selbstwertgefühlen überhäuft ist und sich nichts mehr zutraut.

Und all das aus fehlender Disziplin. Und wenn diese Stimme groß genug ist, denkt man auch nicht mehr ernsthaft darüber nach, dass man diszipliniert sein kann. Es ist eben ein richtiger Teufelskreis, der immer schlimmer wird.

Disziplin ist eigentlich sehr simples Wort. Die Definition beschreibt, dass es die Fähigkeit ist, sich an Regeln, Vorschriften und Pläne zu halten, um bestimmte Ziele zu erreichen.

Simpel, aber nicht einfach.

Für manche ist es gar kein Problem, die Gummibärchen in der Tüte zu lassen, für manche ist es die größte Schwierigkeit in ihrem Leben. Manche sitzen stundenlang am Schreibtisch, manche halten es keine fünf Minuten aus. Jeder Mensch ist da anders, doch jeder Mensch hat seine eigene Tüte an Problemen. Ich kenne meine Tüte, und du wahrscheinlich auch deine Tüte. Und da kann man aussortieren, wie man will, die Tüte wird niemals leer werden, zumindest scheint das so. Aber alle Probleme, die man hat, kann man anpacken.

Nicht jedes Problem ist lösbar, aber man kann jedes Problem wenigstens ein bisschen weniger schlimm machen, davon bin ich überzeugt. Und manche Probleme sind einfach zu lösen, die dauern nur fünf Minuten. Manche dauern 5 Stunden, die ätzend sein werden, und manche 5 Monate oder 5 Jahre. Und einige begleiten dich dein ganzes Leben lang, bis in den Tod. Doch jedes Problem kann man angehen und jedes Problem sollte auch angegangen werden.

Das Leben wirft nämlich immer wieder neue Probleme in deine Tüte und du willst die Tüte nicht überfüllen lassen, denn man muss noch atmen und Luft bekommen, was aber nur schwer geht, wenn die Tüte voller und voller wird. Und es ist nun mal so, dass einige Probleme nur mit Disziplin gelöst werden können. Da muss man einfach durch den unangenehmen Schmerz hindurch und es ertragen, damit das Problem auf Dauer weggeht. Aber das machen nicht alle Menschen. Ich selbst habe viele Dinge unnütz lange aufgeschoben und ich mache das noch immer, die zwar sehr unangenehm sind aber innerhalb eines Tages lösbar wären. Und wenn ich sie dann notgedrungen kurz vor Ende sowieso mache, bin ich immer sehr erleichtert, dass es vorbei ist.

Doch man prokrastiniert eben lieber, weil man denkt, dass noch ein besserer Zeitpunkt kommt, um das Problem zu lösen. Aber viel eher sollte man sich von dieser Denkweise lösen, denn diese Denkweise fördert die Mentalität des Vermeidens. Und wer vermeidet, der leidet, unausweichlich mehr als der Tuende.

Aber was macht man denn nun, damit man nicht prokrastiniert, oder dass man durchzieht und nicht aufgibt?

Man akzeptiert, dass man da jetzt durch muss, auch wenn man das jetzt nicht hören will.

Wenn ich mir selbst sage, dass ich jetzt aus irgendeinem Grund 3 Tage nichts essen will, habe ich keine Probleme mich daran zu halten. Ich denke mir: Ja, das ist kein Problem. Aber dann nach einem halben oder ganzen Tag, grummelt mein Magen sehr und ich sehe das Essen von anderen und ich kriege einen unglaublichen Hunger. Doch trotzdem muss ich in diesem Moment einfach akzeptieren: "Ja, ich habe gerade Hunger, aber "so what"? Na und? Okay, ich hab es registriert, ich habe Hunger, aber war ja klar, dass ich Hunger haben werde. Das war mir schon klar, als ich mir dieses Ziel vorgenommen habe."

Und jetzt kommt der Schlüsselpunkt: Und dann akzeptiert man das Leiden. Ganz simpel, aber ganz schwer. Aber es ist möglich. Und ich verspreche dir, es bleibt nicht so schlimm, wie dieser Moment auch gerade scheinen mag, es wird wieder besser.

Oder ein anderes Beispiel, was meine persönliche Hölle ist:

Ich setze mich an den Schreibtisch, schreibe etwas, aber merke, dass ich mich gar nicht konzentrieren kann. Ich habe schon alle Dinge weggelegt und sitze an einem leeren Schreibtisch, doch ich muss 10 Seiten schreiben, für ein Projekt. Ich bin bei 10 Sätzen und merke, wie schwierig das wird, wie anstrengend das jetzt schon ist und wie viel Zeit dieser Aufsatz fressen wird. Ich leide jetzt schon, obwohl ich gerade angefangen habe. Und dann spielt mein Kopf mir 20 Realitäten vor, in denen ich mehr Spaß haben könnte als ich es im Moment tue. Und wie oft ich schon in diesen Momenten nachgegeben habe, muss ich glaube ich nicht sagen, ich glaube, dass das jeder kennt. Aber ich habe diese Schwäche auch bereits mal besiegt.

Ich habe für ca. ein Dreivierteljahr jeden Tag 3000 Wörter geschrieben und hatte oft Momente, wo ich einfach nicht mehr konnte, ich saß da und dachte mir: "Egal was, einfach was anderes als das hier jetzt bitte."

Und irgendwann in diesen Momenten hatte ich dann einen Aussetzer. Ich saß da und schrieb und habe mir gedacht: "So what? Na und? Ich habe kein Bock zu schreiben, aber weißt du was, egal, ich tue es jetzt einfach trotzdem."
Ich saß da also und habe meiner kleinen Stimme in meinem Kopf "Sag, was du willst, ich mache das trotzdem" gesagt. Und dann habe ich einfach weitergeschrieben. Ich habe gelächelt dabei, obwohl ich sowas von keine Lust darauf hatte. Ich habe laut gelacht, weil ich jetzt einfach durch Sturheit mein Leiden unterdrücke. Ich hatte keine Lust 1000 Wörter an diesem einen Tag zu schreiben. Und dann habe ich sie geschrieben, und dann auch die 3000. Und zwischendurch wurde es wirklich besser.

Denn die Stimme merkt, wenn man ihr zeigt, dass sie keine Kraft über einen hat. An diesem Tag habe ich nicht nur 3000 Wörter sondern 15 000 Wörter geschrieben. Das sind ca. 45 Wordseiten. Ich hatte sowas von keinen Spaß am Schreiben an dem Tag, aber es war ein so geniales kraftgebendes Gefühl, meiner Stimme in meinem Kopf die Luft abzuschneiden, dass ich einfach nicht aufgehört habe. Ich habe mir immer gesagt, dass ich jetzt nur noch die nächsten 1000 Wörter voll mache, und dann als es soweit war, habe ich ganz spontan gedacht: "Ich könnte jetzt einfach nochmal 1000 Wörter schreiben", nur um mir selbst zu zeigen, dass ich die Macht über meine Aktionen habe, auch wenn mein Körper mir ganz viele Signale dagegen gegeben hat. Kopfschmerzen, Langeweile, Unangenehme Anstrengungen, etc. Alles kam, aber ging sobald man fest entschlossen war, weiterzumachen. Und das hat mir die Augen geöffnet.

An diesem Tag bin ich ins Bett gegangen mit einem Gefühl, das unbeschreiblich ist, für die, die ihren inneren Schweinehund noch nie besiegt haben. Es ist großartig, sich sagen zu können, dass man die Oberhand über seine eigenen Aktionen hat. Nicht der innere Schweinehund, nicht die Stimme, die sich an deinen Zweifeln dick frisst. Du selbst kannst tun was du willst. Und wenn es 10 Monate Diät ist, wenn es 20 Stunden schreiben ist, wenn es auch bedeutet, dass du jeden Tag Zeit und Energie für etwas opferst.

Diese Kraft aufzubringen, für etwas, von außen gesehen komplett Unwichtiges, was andere Menschen gar nicht wahrnehmen, für dich aber komplett zentral ist, und das dann auch wirklich zu tun, das gibt Freiheit. Das gibt eine unendliche Freiheit, zu wissen, dass man tun kann, was man will. Man ist nicht an seinen inneren Schweinehund gebunden. Auf einmal kannst du auch die Dinge tun, die dir schwerfallen, du kannst auf einmal alles auf der Welt machen, auch wenn du dafür leiden musst. Du hast dich entschieden, ein Opfer für diese Sache zu bringen und du ziehst durch. Und so zieht man durch, so leidet man, und so ist man frei. Disziplin bedeutet für mich Freiheit.

Und so kommen wir zum Ende dieses Beitrags. Disziplin bringt Freiheit? Ich hoffe, dass der rote Faden in diesem Artikel verständlich war und auch mein Fazit. Aber jetzt schlafe ich erstmal, morgen ist ein neuer Tag, bis dahin.