Ein ruhiger Donnerstag im Ohori Park

Heute war nicht viel los, ich hatte nicht viel zu tun und bin zum Ohori Park spaziert.

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Vincent

2/20/20254 min lesen

Alchemist, Ohori Park, Träume
Alchemist, Ohori Park, Träume

Nicht jeder Tag ist aufregend und vollgepackt mit Aktionen. Heute hatte ich nicht viel zu tun und habe mich dann spontan dazu aufgemacht, zum schönen Ohori Park zu spazieren.

Der Tag fing wie jeder andere an, bloß dass ich heute nicht gut schlafen konnte. Alpträume von verwegenen Lieben ließen mich sieben mal aufwachen. Obwohl ich insgesamt eigentlich 9 Stunden geschlafen hätte, waren es wohl eher sieben durch das häufige Aufwachen und wieder einschlafen. Dass das Bett nicht das Gemütlichste ist, hat bei jedem Einschlafen auch nicht geholfen.

Wie dem auch sei, der Japanisch-Unterricht lief trotzdem gut, doch er war mit Inhalten heute vollgepackt und mein Gehirn brauchte eine Pause. Nach dem Unterricht fragte ich mich, ob ich nach Hause gehe, oder lieber ein bisschen spazieren. Ich entschied mich für das Letztere, nicht zuletzt weil ich gestern auch sehr viel gegessen habe und heute den Wunsch hatte, zu fasten, einen Tag also nichts zu essen. Wenn ich jetzt nach Hause gehen würde, dann hätte ich zu viel Zeit und würde aus Langeweile bestimmt noch was essen.

Also bin ich einfach los zum Park gelaufen, habe mir dabei das Hörbuch "Der Alchimist" angemacht und kam bei der Hälfte des Hörbuchs nach einer Stunde im Park an. Ich bin aber nicht direkt dorthin gelaufen, sondern habe auf dem Weg allerlei Ideen gehabt, was ich sehen möchte und bin in jede Seitengasse gegangen, die mich interessiert hat. So bin ich auch zu einem wunderschönen Schrein gegangen, der direkt neben dem Ohori Park liegt. Dort habe ich einen Amerikaner getroffen, der mich angesprochen hat. Er sei von der Navy und zu Besuch in Fukuoka. Ich unterhielt mich mit ihm ein bisschen und fragte ihn, ob er das Ritual kenne, beim Schrein einen Wunsch zu äußern. Er schüttelte den Kopf und ich lud ihn ein, es mitzumachen. Es war ein sonniger, dennoch kalter Tag und kaum jemand war auf dem großen Gelände des Schreines unterwegs. Er nickte und seine Augen glitzerten. Ich erklärte ihm das Ritual und er stellte sich neben mich und machte mir alles nach.

Die goldene 5-Yen-Münze in die Holzbox werfen vor dem Schrein.

Sich zweimal verbeugen.

Zweimal klatschen und beim zweiten Mal die Hände geschlossen halten.

Die Augen schließen und alle Wünsche äußern, die man hat.

Die Augen öffnen, die Hände fallen lassen und sich erneut verbeugen.

Wegtreten.

Es war schön, etwas beizubringen, was ich erst selbst vor kurzem gelernt habe. Es war, als ob meine Begeisterung damals beim ersten Mal auch nun bei ihm war. Wir haben uns noch kurz unterhalten, unser Instagram ausgetauscht und dann habe ich mich verabschiedet. Ich habe ihm noch von der Burg Fukuoka und dem umliegendem Garten erzählt, der direkt neben dem Park liegt und er machte sich in die Richtung auf. Ich ging zum Ohori Park und setzte mich auf die erste Bank, die zum See zeigte.

Der Wind war kalt auf meinem Gesicht, doch die Sonne strahlte dem Wind entgegen und ich entschied mich, meine Kapuze nicht aufzuziehen. Stattdessen saß ich einfach da für eine Stunde mit meinem Hörbuch in den Ohren. Ich hätte ein Bild machen sollen, doch ich versuche es zu beschreiben, was ich sah.

Ich sah die Inseln in der Mitte des Sees und die weiße kleine Steinbrücke, die mit Ornamenten dekoriert ist. Die Bank auf der ich saß guckte genau zur Brücke und ich saß so gesehen genau zwischen den zwei Inseln und guckte hinter die Brücke auf eine weitere kleine Insel mit einem kahlen Baum, auf dem ich weiß, dass dort immer dutzende Graureiher sitzen.

Ich saß einfach da und genoss die Aussicht und mein Hörbuch. Ich kann "Der Alchimist" nur jedem empfehlen. Ein ausgesprochen kluges Buch von Paulo Coelho aus 1988.

Es ist eines der bekanntesten Bücher über Selbstfindung, Bestimmung und das Streben nach Träumen. Es erzählt die Geschichte von Santiago, einem andalusischen Schafhirten, der eine wiederkehrende Vision von einem Schatz bei den ägyptischen Pyramiden hat und sich auf eine Reise begibt, um ihn zu finden. Auf seinem Weg begegnet er vielen Menschen, darunter ein König, ein Kristallhändler, eine Wüstenfrau, ein englischer Alchemist und schließlich der eigentliche Alchemist, der ihm hilft, seine persönliche Legende zu verstehen.

Die zentrale Botschaft des Buches ist die Idee der „persönlichen Legende“, also des einzigartigen Schicksals oder Lebensziels, das jeder Mensch hat. Es geht darum, den Mut zu haben, seinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn es Hindernisse gibt, und darauf zu vertrauen, dass das Universum hilft, wenn man wirklich seinem Herzen folgt.

Da Selbstfindung, Bestimmung und das Streben nach Träumen gerade Hauptthemen in meinem Leben sind, habe ich sehr viel beim nachhause spazieren darüber nachgedacht.

Das passt zu mir gerade deshalb so gut, weil ich auf einer Reise bin – nicht nur physisch in Japan, sondern auch innerlich auf der Suche nach meinem Platz, meinem Erfolg und meinem wahren Ich. Santiagos Zweifel, seine Ängste, aber auch sein Durchhaltevermögen spiegeln vieles von dem wider, was mich gerade beschäftigt.

Eine besonders starke Stelle im Buch spiegelt eins der zentralen Themen des Romans wieder:

Die meisten Menschen sind blind für das, was wirklich wertvoll ist. Selbst wenn der wahre Schatz direkt vor ihnen liegt, erkennen sie ihn nicht, weil sie nicht darauf vorbereitet sind oder weil sie nicht gelernt haben, mit den richtigen Augen zu sehen.

Das ist auch eine Parallele zu meiner eigenen Suche nach Erfolg. Ich bin in einem ständigen inneren Kampf, ob ich das Richtige tue, ob ich wirklich auf dem Weg zu meinem eigenen Schatz bin. Aber vielleicht habe ich schon längst Schätze gesammelt, ohne es richtig zu bemerken. Vielleicht ist mein Erfolg nicht in einem fernen Ziel versteckt, sondern schon in dem, was ich aufgebaut habe – in meinen Fähigkeiten, in meinen Erfahrungen, in meiner Kreativität.

Es war ein sehr ruhiger und entspannter Tag heute. Und ich habe gemerkt, wie gut mir das getan hat heute. Einfach mal das machen, was das Herz vorschlägt und trotz des schlechten Schlafs heute Nacht habe ich so viel Energie gehabt, ohne etwas zu essen. Wahrscheinlich einfach dadurch, dass ich mal wieder mein Herz, mein Verlangen genährt habe. Ich habe auf meine innere Stimme gehört und habe Energie ohne Ende gehabt. Zuhause angekommen habe ich Vokabeln und Grammatik gelernt, Hausaufgaben + extra Hausaufgaben gemacht und ein paar Kanji gelernt. Es ist jetzt bereits abends, der Magen knurrt ab und zu, doch das stört mich nicht weiter. Ich lese gleich noch ein bisschen, reflektiere kurz, und dann schaue ich einen Film, auf den ich mich freue: A Bronx Tale (1993) mit Robert De Niro.

Also, bis morgen!